Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters für eine Hotel-Wasserrutsche

Der für das Reisevertragsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über einen Fall der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters zu entscheiden.

Kläger sind die Angehörigen eines elfjährigen Kindes, das auf einer Pauschalreise der Familie in Griechenland bei der Benutzung einer auf dem Hotelgelände stehenden Wasserrutsche ertrank, weil es mit dem Arm in ein Absaugrohr geraten war und sich nicht befreien konnte. Die Öffnungen der Absaugrohre waren nicht mit einem Schutzgitter abgedeckt; der Hoteleigentümer hatte die Wasserrutsche ohne Baugenehmigung errichtet. Die Mutter – die auch aufgrund abgetretenen Anspruchs des Vaters handelt – und die Brüder des Kindes, die alle an posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert leiden, haben den Reiseveranstalter aufSchmerzensgeld verklagt, weil dieser seine Pflicht verletzt habe, die Sicherheit der Hoteleinrichtungen zu überprüfen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und jedem Familienmitglied jeweils 20.000,– € zuerkannt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des beklagten Reiseveranstalters zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht, die ihn verpflichtet, seine Vertragshotels und deren Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie einen ausreichenden Sicherheitsstandard bieten. Bei der inmitten des Hotelkomplexes gelegenen Wasserrutsche handelte es sich aus der – maßgeblichen – Sicht der Reisenden um eine zum Leistungsangebot des Reiseveranstalters gehörende Hoteleinrichtung, auch wenn die Rutsche in der im Reisekatalog des Veranstalters enthaltenen Hotelbeschreibung nicht erwähnt war und der Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt verlangte. Der Reiseveranstalter hätte deshalb die Sicherheit der Rutsche prüfen müssen.

Diese Prüfungspflicht hat er verletzt. Denn auf jeden Fall hätte er sich danach erkundigen müssen, ob die Anlage genehmigt und von der zuständigen Behörde abgenommen worden war.

Diese Sachlage spricht dafür, dass dann der Tod des Kindes und die dadurch verursachten psychischen Beeinträchtigungen der Eltern und Geschwister vermieden worden wären. Für einen anderen Geschehensablauf ist dem Vortrag der Beklagten nichts zu entnehmen.

Da deren seelische Störungen nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ein pathologisches Ausmaß angenommen und somit die Angehörigen einen deliktsrechtlich ersatzfähigen eigenen Gesundheitsschaden erlitten haben, können sie Schmerzensgeld verlangen. Dessen Bemessung war Sache der tatrichterlich urteilenden Vorinstanzen und ist von der Revision auch nicht beanstandet worden.

Urteil vom 18. Juli 2006 – X ZR 142/05

LG Köln – Entscheidung vom 17.3.2005 – 8 O 264/04 /

OLG Köln – Entscheidung vom 12.9.2005 – 16 U 25/05)

Karlsruhe, den 18. Juli 2006

Pressestelle des Bundesgerichtshof

Zahnverlust bei Restaurantbesuch

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob zugunsten eines Gastes, der beim Verzehr einer Speise in einem Restaurant einen Zahn verliert, Beweiserleichterungen dafür eingreifen, dass das Abbrechen des Zahns auf einen in der Speise verborgenen harten Gegenstand zurückzuführen ist.

Der Kläger verzehrte am 22. Dezember 2003 in dem von der Beklagten betriebenen Restaurant einen Grillteller, der aus verschiedenen Fleischstücken sowie Hackfleischröllchen (Cevapcici) bestand. Dabei brach ein Zahn des Klägers ab. Der Kläger führt dies darauf zurück, dass sich in einem der Hackfleischröllchen ein harter Fremdkörper – etwa ein kleiner Stein – befunden habe, wofür er die Beklagte verantwortlich macht. Die Beklagte hat dies bestritten und darauf verwiesen, dass der Zahn auch beim Biss auf ein Knochen- oder Knorpelteilchen eines der Fleischstücke abgebrochen sein könne.

Mit seiner Klage hat der Kläger Ersatz des Eigenanteils an den Kosten der zahnärztlichen Behandlung, Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle zukünftig aus dem Schadensereignis vom 22. Dezember 2003 entstehenden Schäden verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Eine Haftung der Beklagten setzt nach allen dafür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen den vom Kläger zu erbringenden Nachweis voraus, dass sich, was die Beklagte bestritten hat, in dem Hackfleischröllchen, dessen Verzehr nach der Darstellung des Klägers den Verlust eines Zahns zur Folge hatte, ein harter Gegenstand befand, der beim Zubeißen zum Abbrechen des Zahns führte. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbringen können. Nach seiner Darstellung war der Fremdkörper  vermutlich ein kleiner Stein  nach dem Abbrechen des Zahns nicht mehr auffindbar, weil er ihn verschluckt hatte. Der Kläger meint jedoch, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts komme ihm der Beweis des ersten Anscheins zugute. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist.

An einem in diesem Sinne typischen Geschehensablauf fehlte es hier. Das Abbrechen eines Zahns beim Verzehr eines aus verschiedenen Fleischstücken und Hackfleischröllchen bestehenden Gerichts ist nicht nach der Lebenserfahrung typischerweise auf das Vorhandensein eines in der Hackfleischmasse verborgenen festen (Fremd-) Körpers zurückzuführen. Vielmehr kommen dafür auch andere, nicht fernliegende Ursachen wie etwa eine Vorschädigung des abgebrochenen Zahns oder die versehentliche Mitaufnahme von Knochen- oder Knorpelresten, die nach dem Verzehr anderer Fleischstücke im Laufe der Mahlzeit auf dem Teller zurückgeblieben sind, in Betracht.

Urteil vom 5. April 2006 – VIII ZR 283/05

AG Spandau – Entscheidung vom 9.12.2004 – 9 C 412/04 ./. LG Berlin – Entscheidung vom 20.6.2005 – 52 S 2/05

Karlsruhe, den 5. April 2006

Pressestelle des Bundesgerichtshof