Bundesgerichtshof zum Unterhaltsschaden der Eltern bei unterbliebenem Schwangerschaftsabbruch

Der u.a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über die Klage eines Ehepaares gegen die eine Schwangerschaft der Ehefrau betreuende Frauenärztin auf Schadensersatz zu entscheiden. Die Eheleute begehrten die Feststellung, daß die beklagte Ärztin ihnen zum Ersatz des Unterhalts für ihr Kind verpflichtet sei, das mit schweren Fehlbildungen der Extremitäten geboren worden war. Die Ehefrau verlangte darüber hinaus die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Kläger warfen der Ärztin vor, die Fehlbildungen während der Schwangerschaft pflichtwidrig nicht erkannt zu haben, und machten geltend, die Mutter hätte sich bei Kenntnis der schweren Behinderung für einen rechtlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Die Vorinstanzen hatten der Klage im wesentlichen stattgegeben.

Der Bundesgerichtshof hat die angefochtene Entscheidung bestätigt. Das Berufungsgericht sei zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der zwischen der Ehefrau und der Beklagten geschlossene Vertrag über die Schwangerschaftsbetreuung auch die Pflicht der Beklagten zur Beratung der Eltern über die erkennbare Gefahr einer Schädigung der Leibesfrucht mit umfaßt habe. Die Verletzung dieser Pflicht habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.

Ohne Rechtsfehler sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein Schwangerschaftsabbruch nach der medizinischen Indikation des § 218 a Abs. 2 StGB rechtlich zulässig gewesen wäre, da angesichts der zu erwartenden sehr schweren Behinderungen des Kindes sowohl die Gefahr eines Suizidversuchs als auch einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes der Mutter zu befürchten gewesen sei. Daß bei ihr nach der Geburt tatsächlich Depressionen aufgetreten seien, die deutlich Krankheitswert erreicht hätten, wobei zumindest in den ersten Wochen auch eine latente Selbstmordgefahr vorgelegen habe, stütze diese Prognosebeurteilung.

Auch im Hinblick auf die mögliche Überlebensrate ungeborener Kinder ab der 22. Schwangerschaftswoche sei eine Abtreibung in Fällen wie dem vorliegenden nicht ausgeschlossen. Zwar enthalte die Regelung der medizinischen Indikation anders als die früher selbständige embryopathische Indikation keine zeitliche Befristung. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei indessen kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß eine derartige Befristung in Fällen der medizinischen Indikation aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei. Allerdings sei der Lebensschutz des ungeborenen Kindes grundsätzlich während der gesamten Dauer der Schwangerschaft zu gewährleisten, doch könne von der Mutter, wenn schwerwiegende Gefahren für ihr Leben oder ihre Gesundheit drohten und nicht anders abgewendet werden könnten, ebenfalls grundsätzlich während der gesamten Dauer der Schwangerschaft nicht verlangt werden, die eigenen existentiellen Belange und Rechtspositionen denen des Kindes aufzuopfern. Ob allerdings im Einzelfall die Opfergrenze überschritten sei, sei nur mittels einer Güter- und Interessenabwägung zu beurteilen, die die Rechtspositionen sowohl des Embryos als auch der Mutter berücksichtige. Bei dieser Abwägung könne auch die Dauer der Schwangerschaft Berücksichtigung finden. Im vorliegenden Fall sei jedoch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung nicht zu beanstanden. Vom Sachverhalt her gehe es hier nämlich nicht um den Fall einer „Spätabtreibung“ in den letzten Schwangerschaftswochen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte ein Schwangerschaftsabbruch jedenfalls noch in der 22. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden können.

Der Einwand der Revision, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nichtdurchführung des Schwangerschaftsabbruchs und dem geltend gemachten Unterhaltsschaden bestehe nicht, weil das Kind auch bei einem Schwangerschaftsabbruch möglicherweise überlebt hätte, bleibe ohne Erfolg. Die für ihre Behauptung beweisbelastete Beklagte habe den Beweis für ein Überleben des Kindes nach einem Abbruch im konkreten Fall nicht geführt. Da ein Schwangerschaftsabbruch in der Regel die Beendigung des Lebens des Embryos zur Folge habe, spreche für den Eintritt dieser Folge eine Vermutung. Diese sei von der Beklagten nicht widerlegt worden.

Vom Schutzzweck des Behandlungsvertrages sei in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die schwerwiegenden Gefahren für die Mutter gerade auch für die Zeit nach der Geburt drohten, auch die Vermeidung von Belastungen umfasst, die durch das „Haben“ des Kindes drohten, d.h. auch die Unterhaltsaufwendungen. Auf diese erstrecke sich daher auch die Ersatzpflicht der Beklagten.

Die Bemessung des der Klägerin zu zahlenden Schmerzensgeldes auf 20.000,– DM sei nicht zu beanstanden.

Urteil vom 18. Juni 2002 – VI ZR 136/01

Karlsruhe, den 18. Juni 2002

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Haushaltsführungsschaden durch Wegfall der Fähigkeit des Geschädigten zur Pflege der pflegebedürftigen Ehefrau

OLG Stuttgart Urteil vom 31.1.2013, 19 U 148/12

Personenschaden durch Kfz-Unfall: Haushaltsführungsschaden durch Wegfall der Fähigkeit des Geschädigten zur Pflege der pflegebedürftigen Ehefrau

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 27. Juli 2012 – 7 O 14/12 – nebst dem diesem zugrunde liegenden Verfahren

a u f g e h o b e n.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht

z u r ü c k v e r w i e s e n.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1
Die Berufung der Beklagten führt antragsgemäß (§ 538 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ZPO) zur Aufhebung des Urteils des Landgerichts nebst dem diesem zugrunde liegenden Verfahren und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht.
1.
2
Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass auf Grund seiner Feststellungen die Beklagte dem Kläger aus §§ 115 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 VVG in Verbindung mit §§ 843 Abs. 1 1. Alt BGB, 11 Satz 1 1. Alt StVG zum Ersatz der über die vor dem Unfall durchgeführte Tagespflege hinaus für seine Ehefrau angefallenen Pflegekosten im Pflegeheim verpflichtet ist.
a)
3
Nach §§ 843 Abs. 1 BGB, 11 Satz 1 StVG hat der Schädiger dem Geschädigten unter den dort genannten Voraussetzungen, hier der Verletzung des Körpers, Schadensersatz zu leisten. Dabei liegt in dem Verlust der Fähigkeit weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nachdem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder ob sie den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S. der §§ 843 Abs. 1 1. Alt. BGB, 11 Satz 1 1. Alt. StVG oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S. der §§ 843 Abs. 1 2. Alt. BGB, 11 Satz 1 1. Alt. StVG dar. In dem einen wie dem anderen Falle ist der Schaden messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juni 1989 – VI ZR 66/88, BGHR BGB § 843 Abs. 1 Hausarbeiten 1). Das gilt auch für Pflegekosten, die deshalb angefallen sind, weil der Ehegatte durch den Unfall die Fähigkeit zur Erbringung von Pflegleistungen verloren hat und der pflegebedürftige Ehegatte ins Pflegeheim muss.
b)
4
Nach den Feststellungen der ersten Instanz hat der Kläger seine vor dem Unfall erheblich pflegebedürftige Ehefrau (Pflegestufe III), bis auf wenige Tage, die sie in der Tagespflege war, in der Wohnung versorgt und seinen Unterhaltsbeitrag durch Pflegleistungen erbracht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. Juli 2010 – 1 U 69/09 Schadens-Praxis 2011, 14). Weiter ist das Landgericht der Auffassung, Infolge der erlittenen Verletzungen habe die Pflege im bisherigen Umfang nicht fortgeführt werden können. Das Vorbringen der Beklagten zum Gesundheitszustand der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers, der eine heimische Pflege ausgeschlossen habe, sei spekulativ.
2.
5
Das hält einer Überprüfung jedoch nicht stand. Das Landgericht stützt seine Überzeugung zur Pflege der Ehefrau vor dem Unfall sowie die Beurteilung der Ursächlichkeit des vom Kläger erlittenen Unfalls für die Pflege seiner Ehefrau in einem Pflegeheim ausschließlich auf die Anhörung des Klägers. Das ist verfahrensfehlerhaft.
a)
6
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilverfahrensrechts müssen bestrittene, erhebliche Parteibehauptungen in der Regel mit den in der ZPO vorgesehenen Beweismitteln bewiesen werden. Die Frage, ob der Tatrichter seine Entscheidung auf bestrittenes Vorbringen einer Partei im Wege der Anhörung nach § 141 ZPO oder der Vernehmung nach § 448 ZPO stützen kann, stellt sich grundsätzlich nur, wenn die Partei sich in Beweisnot befindet (vgl. zu § 448 ZPO BGHZ 110, 363, 365 f.), ihr also keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen (BGHR ZPO § 286 Abs 1 S 1 Parteianhörung 1). Dass dies der Fall ist, ist nicht ersichtlich. Darauf wäre der Kläger hinzuweisen gewesen.
b)
7
Dem war die erste Instanz auch nicht dadurch enthoben, dass sie das Vorbringen der Beklagten als spekulativ und die Darstellung des Klägers als wahrscheinlich erachtet hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006 – IX ZR 173/03 Beschl. v. ZPO § 287 Abs. 1 Satz 2 Beweisanträge 2). Richtig ist, dass dann, wenn wie hier die Körperverletzung als durch den Unfall verursachten Primärschaden feststeht, für den Ursachenzusammenhang zwischen dem konkreten Haftungsgrund (dem anspruchsbegründenden Ereignis) und der Schadensfolge – die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität – das Beweismaß verringert ist; eine volle Überzeugung, wie nach § 286 ZPO erforderlich, ist nicht geboten; jedenfalls reicht, je nach Lage des Einzelfalles, eine höhere oder deutlich höhere, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (§ 287 ZPO; statt aller Müller VersR 2003, 137 ff m.umfangr. Nachw. z.B. auf BGH, Urt. v. 28. Januar 2003 – VI ZR 139/02, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß 4; ZPO § 287 Abs. 1 Kausalität 6). Das entbindet jedoch nicht davon, die erforderlichen Feststellungen verfahrensfehlerfrei zu treffen. Der Beklagten ist der Einwand der überholenden Kausalität nicht abgeschnitten. Ihm wäre nachzugehen gewesen.
8
Das Landgericht verkennt, dass eine Partei bei einem zur Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag ihren Substantiierungspflichten bereits dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der Gegenseite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Vielmehr hat der Tatrichter alsdann in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei, soweit es auf spezifische Fachkunde ankommt, die beweiserheblichen Streitfragen einem Sachverständigen zu unterbreiten. Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass das Gericht aufgrund ihrer Darstellung nicht beurteilen kann, ob die Behauptung überhaupt erheblich ist, also die gesetzlichen Voraussetzungen der daran geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (vgl. statt aller: BGH, Urt. v. 11. Mai 2010 – VIII ZR 212/07 NJW-RR 2010, 1217 m.w.N), oder sie aufs Geratewohl, das heißt ins Blaue hinein aufgestellt und – mit anderen Worten – aus der Luft gegriffen sind. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie sich nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1991 – X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; MünchKomm.ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 284 Rn. 78; Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 284 Rn. 18, jeweils m.w.N). Kann eine Partei mangels eigener Kenntnis der in Rede stehenden naturwissenschaftlichen oder technischen Zusammenhänge nur bestimmte Vermutungen als Behauptung in den Rechtsstreit einführen, liegt daher keine unzulässige Ausforschung vor (BGH, Urt. v. 2. Februar 2012 – I ZR 81/10 WRP 2012, 1222).
3.
9
Auf diesem Verfahrensfehler beruht die Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt wurde, Gebrauch gemacht.
a)
10
Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine Instanz beendende Entscheidung sein kann.
b)
11
Der Verfahrensmangel ist wesentlich, weil das Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für eine Instanz beendende Entscheidung darstellt (BGH, Urteil vom 26. September 2002 – VII ZR 422/00, NJW-RR 2003, 131).
c)
12
Der Senat macht von dem ihm nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er von dem Grundsatz, eine eigene Sachentscheidung zu treffen, ausnahmsweise abweicht und den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückverweist. Der Senat wäre gehalten, angebotene Zeugenbeweise zu erheben und Sachverständigengutachten sowohl zum Gesundheitszustand des Klägers als auch seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau einzuholen, um die entscheidungserheblichen Fragen verfahrensfehlerfrei beurteilen zu können. Die durchzuführende Beweisaufnahme ist aufwändig und umfangreich. Wegen der Vielschichtigkeit der zu treffenden Feststellungen erscheint die Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten geboten. Im Anschluss an die Einholung der schriftlichen Sachverständigengutachten dürfte, gegebenenfalls nach oder zugleich mit der weiteren Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, der oder die Sachverständige/n zur Ergänzung und Erläuterung zu einem Termin zu laden sein, weil zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO die Partei einen Anspruch darauf hat, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann. Die zu erwartende von einer Partei beantragte Ladung eines Sachverständigen ist grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn das Gericht das schriftliche Gutachten für überzeugend halten sollte und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sehe (statt aller BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2010 – VIII ZR 96/10, NJW-RR 2011, 704). Zwar führt eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits, doch sollte den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, die einzuholenden Sachverständigengutachten in zwei Tatsacheninstanzen zur Überprüfung zu stellen. Insoweit hätten schützenswerte Interessen der nicht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragenden Partei zurückzutreten, sodass eine Zurückverweisung an das Landgericht ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint.
4.
13
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass den Ausführungen zur Höhe des Schadensersatzanspruchs das Rechtsmittel nichts entgegen zu setzen vermag, insbesondere ist die Höhe der Zahlungen der AOK durch die Anlage K 12 belegt. Bei den Leistungen nach § 39 SGB XI handelt es sich um solche, die wegen einer Krankheit der Pflegeperson von der Pflegekasse übernommen werden. Eine Klage auf Feststellung der deliktischen Verpflichtung eines Schädigers zum Ersatz künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen. Eine solche Feststellungsklage ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist., kann jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt dahinstehen (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Januar 2007 – VI ZR 133/06 BGHReport 2007, 413). Dass eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, folgt bisher aus dem vorgelegten Attest vom 14. Juni 2011 (K3).
5.
14
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO), über welche der Senat von Amts wegen zu befinden hat, liegen nicht vor. Der anderslautende, nicht ausgeführte, für den Fall des Unterliegens gestellte Hilfsantrag der Beklagten vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
6.
15
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch aufhebende und zurückweisende Urteile nach § 538 Abs. 2 ZPO sind gemäß § 708 Nr. 10, § 775 Nr. 1, § 776 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses zu

Der unter anderem für das Telekommunikationsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses zuerkannt.

Infolge eines Fehlers des beklagten Telekommunikationsunternehmens bei einer Tarifumstellung konnte der Kläger seinen DSL-Internetanschluss in der Zeit vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen. Über diesen Anschluss wickelte er auch seinen Telefon- und Telefaxverkehr ab (Voice und Fax over IP, VoIP). Neben Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons anfielen, verlangt der Kläger Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während des genannten Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefax- und Internetverkehr zu nutzen, in Höhe von 50 € täglich. In den Vorinstanzen sind dem Kläger 457,50 € für das höhere, bei dem anderen Anbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung zuerkannt worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten seines DSL-Anschlusses weiter verfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.

In Anwendung dieses Maßstabs hat der III. Zivilsenat einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dieses vermittelt lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirkt sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird.

Im Ergebnis hat der Senat einen Schadensersatzanspruch auch für den Ausfall des Festnetztelefons abgelehnt. Allerdings stellt die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte.

Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen. Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.

Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.

Zur näheren Sachaufklärung hierzu hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12

AG Montabaur – Urteil vom 7. Dezember 2010 – 5 C 442/10

LG Koblenz – Urteil vom 7. März 2012 – 12 S 13/11

Karlsruhe, den 24. Januar 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Keine Staatshaftungsansprüche für Sportwettenanbieter wegen Europarechtsverstoß

Der unter anderem für die Staatshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Abweisung von zwei Schadensersatzklagen einer Sportwettenanbieterin gegen zwei bayerische Städte und den Freistaat Bayern bestätigt.

Die Klägerin verfügte über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten, die sie in Bayern auch über Wettbüros vertrieb, welche von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden. Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem Geschäftsbesorger die Vermittlung von Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Ferner ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an. Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwaltungsgerichten angebrachte Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

Die Vorinstanzen haben einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch verneint. Dies hat der III. Zivilsenat bestätigt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in „hinreichend qualifizierter“ Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol seien verfassungswidrig, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu denen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.

Urteile vom 18. Oktober 2012

III ZR 196/11

LG Landshut – 54 O 30/10 – Entscheidung vom 30. November 2010

OLG München – 1 U 392/11 – Entscheidung vom 15. Juli 2011

und

III ZR 197/11

LG Passau – Az. 1 O 1118/09 vom 04.11.2010;

OLG München – Az. 1 U 5279/10 vom 15.07.2011;

Karlsruhe, den 18. Oktober 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Bundesgerichtshof zur Haftung des Waldbesitzers für Verletzung eines Spaziergängers durch herabstürzenden Ast

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Unfalls bei einem Waldspaziergang auf Schadensersatz in Anspruch.

Als die Klägerin im Juli 2006 bei sehr warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch ein Waldgrundstück der Beklagten zu 1 ging, brach von einer circa 5 m neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt eine schwere Hirnschädigung. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht denSchmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Nach seiner Auffassung ist auch ein privater Waldbesitzer, der weiß, dass sein Wald von Erholungssuchenden frequentiert wird, zumindest eingeschränkt verkehrs-sicherungspflichtig. Er sei gehalten, in gelegentlichen Begehungen die am Rande der Erholungswege stehenden Bäume zu kontrollieren und einzuschreiten, wenn sich ihm konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung böten. Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht im Streitfall bejaht, da von dem unfallverursachenden Baum schon lange eine akute Gefahr ausgegangen sei. Diese hätte ein geschulter Baumkontrolleur bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus erkennen müssen.

Auf die Revisionen der Beklagten hat der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Klage abgewiesen. Er hat eine Haftung der Beklagten verneint.

Nach den im Einklang mit § 14 BWaldG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (hier: § 25 des Waldgesetzes für das Saarland) ist das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschieht jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden muss, sollen dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er haftet deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs ist dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.

Urteil vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11

Landgericht Saarbrücken – Urteil vom 3. März 2010 – 12 O 271/06

Saarländisches Oberlandesgericht – Urteil vom 9. November 2011 – 1 U 177/10-46

Karlsruhe, den 2. Oktober 2012

Waldgesetz für das Saarland (Landeswaldgesetz – LWaldG)

§ 25

Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zweck der naturverträglichen Erholung ist jedermann gestattet. …

(5) Die Benutzung des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr. Besondere Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten werden nicht begründet. …

Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft

Bundeswaldgesetz

§ 14 Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.

(2) Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund, insbesondere des Forstschutzes, der Wald- oder Wildbewirtschaftung, zum Schutz der Waldbesucher oder zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers, einschränken und andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Bundesgerichtshof entscheidet zur Verkehrssicherungspflicht auf Bahnsteigen

Der für Rechtsstreitigkeiten über Personenbeförderungsverträge zuständige X. Zivilsenat hat heute über den Schadensersatzanspruch eines Fahrgastes wegen eines Sturzes aufgrund von Glatteis auf einem Bahnsteig entschieden.

Die Beklagte zu 1, die DB Fernverkehr AG, erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Fernverkehr. Die Klägerin erwarb bei ihr einen Fahrausweis für eine Fahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden. Auf dem Weg zum Haltepunkt des ICE stürzte die Klägerin auf dem Bahnsteig des Bahnhofs. Eigentümerin des Bahnhofs ist die DB Station & Service AG. Diese hatte die Reinigung und den Winterdienst der Beklagten zu 2, der DB Services GmbH, übertragen. Die Beklagte zu 2 hat behauptet, sie habe ihrerseits den Winterdienst auf den Streithelfer übertragen. Wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen nahm die Klägerin zunächst die DB Station & Service AG in Anspruch. Das Landgericht wies diese Klage mit der Begründung ab, die DB Station & Service AG habe die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Beklagte zu 2. übertragen.

Die Klägerin begehrt nunmehr von den Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 durch Teilurteil abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Teilurteil und das Verfahren aufgehoben, die Sache an das Landgericht zurückverwiesen und die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, das Teilurteil des Landgerichts sei unzulässig, da auch eine Haftung der Beklagten zu 1 in Betracht komme. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen sei gegenüber dem Fahrgast vertraglich verpflichtet, für einen verkehrssicheren Zustand des benutzten Bahnsteigs zu sorgen.

Der Bundesgerichtshof hat dies bestätigt und die Revision des beklagten Eisenbahnverkehrsunternehmens zurückgewiesen.

Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast keinen Schaden erleidet. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen Ein- und Aussteigen, sondern auch den Zu- und Abgang. Trotz der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 1994 I S. 2439) ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, Bahnanlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, bereitzustellen und verkehrssicher zu halten. Dies ist dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das diese Bahnanlagen aufgrund eines Stationsnutzungsvertrags mit dem Infrastrukturunternehmen nutzt, im Zusammenwirken mit diesem möglich. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens – und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte deren Verschulden – in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (§ 278 BGB).

X ZR 59/11 – Urteil vom 17. Januar 2012

LG Wuppertal – 16 O 165/09 – Urteil vom 26. August 2010

OLG Düsseldorf – 18 U 158/10 – Urteil vom 20. April 2011

Karlsruhe, den 17. Januar 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters für eine Hotel-Wasserrutsche

Der für das Reisevertragsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über einen Fall der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters zu entscheiden.

Kläger sind die Angehörigen eines elfjährigen Kindes, das auf einer Pauschalreise der Familie in Griechenland bei der Benutzung einer auf dem Hotelgelände stehenden Wasserrutsche ertrank, weil es mit dem Arm in ein Absaugrohr geraten war und sich nicht befreien konnte. Die Öffnungen der Absaugrohre waren nicht mit einem Schutzgitter abgedeckt; der Hoteleigentümer hatte die Wasserrutsche ohne Baugenehmigung errichtet. Die Mutter – die auch aufgrund abgetretenen Anspruchs des Vaters handelt – und die Brüder des Kindes, die alle an posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert leiden, haben den Reiseveranstalter aufSchmerzensgeld verklagt, weil dieser seine Pflicht verletzt habe, die Sicherheit der Hoteleinrichtungen zu überprüfen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und jedem Familienmitglied jeweils 20.000,– € zuerkannt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des beklagten Reiseveranstalters zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht, die ihn verpflichtet, seine Vertragshotels und deren Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie einen ausreichenden Sicherheitsstandard bieten. Bei der inmitten des Hotelkomplexes gelegenen Wasserrutsche handelte es sich aus der – maßgeblichen – Sicht der Reisenden um eine zum Leistungsangebot des Reiseveranstalters gehörende Hoteleinrichtung, auch wenn die Rutsche in der im Reisekatalog des Veranstalters enthaltenen Hotelbeschreibung nicht erwähnt war und der Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt verlangte. Der Reiseveranstalter hätte deshalb die Sicherheit der Rutsche prüfen müssen.

Diese Prüfungspflicht hat er verletzt. Denn auf jeden Fall hätte er sich danach erkundigen müssen, ob die Anlage genehmigt und von der zuständigen Behörde abgenommen worden war.

Diese Sachlage spricht dafür, dass dann der Tod des Kindes und die dadurch verursachten psychischen Beeinträchtigungen der Eltern und Geschwister vermieden worden wären. Für einen anderen Geschehensablauf ist dem Vortrag der Beklagten nichts zu entnehmen.

Da deren seelische Störungen nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ein pathologisches Ausmaß angenommen und somit die Angehörigen einen deliktsrechtlich ersatzfähigen eigenen Gesundheitsschaden erlitten haben, können sie Schmerzensgeld verlangen. Dessen Bemessung war Sache der tatrichterlich urteilenden Vorinstanzen und ist von der Revision auch nicht beanstandet worden.

Urteil vom 18. Juli 2006 – X ZR 142/05

LG Köln – Entscheidung vom 17.3.2005 – 8 O 264/04 /

OLG Köln – Entscheidung vom 12.9.2005 – 16 U 25/05)

Karlsruhe, den 18. Juli 2006

Pressestelle des Bundesgerichtshof

Zahnverlust bei Restaurantbesuch

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob zugunsten eines Gastes, der beim Verzehr einer Speise in einem Restaurant einen Zahn verliert, Beweiserleichterungen dafür eingreifen, dass das Abbrechen des Zahns auf einen in der Speise verborgenen harten Gegenstand zurückzuführen ist.

Der Kläger verzehrte am 22. Dezember 2003 in dem von der Beklagten betriebenen Restaurant einen Grillteller, der aus verschiedenen Fleischstücken sowie Hackfleischröllchen (Cevapcici) bestand. Dabei brach ein Zahn des Klägers ab. Der Kläger führt dies darauf zurück, dass sich in einem der Hackfleischröllchen ein harter Fremdkörper – etwa ein kleiner Stein – befunden habe, wofür er die Beklagte verantwortlich macht. Die Beklagte hat dies bestritten und darauf verwiesen, dass der Zahn auch beim Biss auf ein Knochen- oder Knorpelteilchen eines der Fleischstücke abgebrochen sein könne.

Mit seiner Klage hat der Kläger Ersatz des Eigenanteils an den Kosten der zahnärztlichen Behandlung, Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle zukünftig aus dem Schadensereignis vom 22. Dezember 2003 entstehenden Schäden verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Eine Haftung der Beklagten setzt nach allen dafür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen den vom Kläger zu erbringenden Nachweis voraus, dass sich, was die Beklagte bestritten hat, in dem Hackfleischröllchen, dessen Verzehr nach der Darstellung des Klägers den Verlust eines Zahns zur Folge hatte, ein harter Gegenstand befand, der beim Zubeißen zum Abbrechen des Zahns führte. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbringen können. Nach seiner Darstellung war der Fremdkörper  vermutlich ein kleiner Stein  nach dem Abbrechen des Zahns nicht mehr auffindbar, weil er ihn verschluckt hatte. Der Kläger meint jedoch, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts komme ihm der Beweis des ersten Anscheins zugute. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist.

An einem in diesem Sinne typischen Geschehensablauf fehlte es hier. Das Abbrechen eines Zahns beim Verzehr eines aus verschiedenen Fleischstücken und Hackfleischröllchen bestehenden Gerichts ist nicht nach der Lebenserfahrung typischerweise auf das Vorhandensein eines in der Hackfleischmasse verborgenen festen (Fremd-) Körpers zurückzuführen. Vielmehr kommen dafür auch andere, nicht fernliegende Ursachen wie etwa eine Vorschädigung des abgebrochenen Zahns oder die versehentliche Mitaufnahme von Knochen- oder Knorpelresten, die nach dem Verzehr anderer Fleischstücke im Laufe der Mahlzeit auf dem Teller zurückgeblieben sind, in Betracht.

Urteil vom 5. April 2006 – VIII ZR 283/05

AG Spandau – Entscheidung vom 9.12.2004 – 9 C 412/04 ./. LG Berlin – Entscheidung vom 20.6.2005 – 52 S 2/05

Karlsruhe, den 5. April 2006

Pressestelle des Bundesgerichtshof 

Verjährungsfrist: Renten für die regelmäßige Pflege eines Kindes

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 312/04

BGB §§ 197 a.F., 249 ff.; 843 Abs. 1
Renten wegen Vermehrung der Bedürfnisse (hier: regelmäßige Pflege eines erkrankten Kindes) sind wiederkehrende Leistungen, für die die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. gilt, auch wenn der Anspruch nicht aus § 843 BGB, sondern aus einem anderen Rechtsgrund (hier: Behandlungsvertrag mit einem Arzt) hergeleitet wird. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 – VI ZR 312/04 – OLG München

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, die Richter Stöhr und Zoll beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in Augsburg vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97Abs. 1 ZPO).

Gründe:

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler hinsichtlich der Geburt ihrer 1987 schwer behindert geborenen und 1999 verstorbenen Tochter auf Zahlung von Pflegemehraufwand für den Zeitraum 1988 bis 1994 in Höhe von 127.750 ? in Anspruch. Die Klage ist im Oktober 2002 eingereicht worden.
Das Landgericht hat der Klage durch Grundurteil stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten wegen Verjährung (§ 197- 3 -BGB a.F.) abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Nichtzulassungsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, bei dem Pflegemehraufwand handele es sich um wiederkehrende Leistungen i.S. des § 197 BGB a.F.. Solche kämen allenfalls in Betracht, soweit § 843 Abs. 1 BGB die Anspruchsgrundlage darstelle, was hier wegen § 843 Abs. 3 BGB nicht zutreffe, nicht aber, soweit sich die Ansprüche – wie hier – auch aus Vertrag herleiteten. Die Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung; im Übrigen sei die Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Dem ist nicht zu folgen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden. Das Berufungsurteil lässt danach keinen die Zulassung rechtfertigenden Rechtsfehler erkennen. Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen sind solche, die von vornherein und ihrer Natur nach auf Leistungen gerichtet sind, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGHZ 146, 228, 232). Es muss sich um eine Verbindlichkeit handeln, die nur in den fortlaufenden Leistungen besteht und darin ihre charakteristische Erscheinung hat (BGHZ 28, 144, 148; 146, 228, 232). Der Anspruch muss seine charakteristische Erscheinung in der fortlaufenden Leistung haben und von vornherein und seiner Natur nach auf Zahlungen gerichtet sein, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGHZ 98, 174, 182). Vom Rechtsgrund einer Leistung hängt ihre Einbeziehung unter die regelmäßig wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 197 BGB im Allgemeinen nicht ab (BGHZ 28, 144, 148). Danach handelt es sich bei einem Mehraufwand für die regelmäßige Pflege eines erkrankten Kindes um regelmäßig wiederkehrende Leistungen, auch wenn der Anspruch nicht aus § 843 BGB, sondern aus Vertrag und den §§ 249 ff. BGB hergeleitet wird. Denn die Pflege ist regelmäßig im Laufe der Zeit zu erbringen und der dadurch bewirkte Schaden entsteht mit jeder einzelnen Pflegeleistung. Entsprechendes gilt für den Ersatzanspruch. Mit einer Klage auf Ersatz des Pflegemehraufwandes kann deshalb, soweit sie künftige Leistungen betrifft, regelmäßig nicht die Zahlung einer den künftigen Aufwand abdeckenden Geldsumme verlangt werden; vielmehr ist – wie beim Unterhaltsanspruch – auf künftige Rentenleistung zu klagen (§ 258 ZPO).

Die Nichtzulassungsbeschwerde geht von einem falschen Ansatz aus, wenn sie darauf abstellt, dass jetzt, nach dem Tod des Kindes, sinnvoller weise nur auf einen Gesamtbetrag geklagt werden kann. Darin liegt lediglich die Geltendmachung von Rückständen der wiederkehrenden Leistung. Und eben dafür gilt die besondere Verjährungsfrist des § 197 ZPO a.F., der das übermäßige Anwachsen von Schulden, die aus den regelmäßigen Einkünften des Schuldners zu tilgen sind, verhindern soll (BGHZ 28, 144, 148 ff.; 103, 160, 169).

Dem entsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass zu den wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 197 BGB auch Rückstände auf monatliche Renten nach § 843 BGB gehören und dass für diejenigen, die ihre Grundlage in § 338 ZGB haben oder nach dem Recht der DDR auf vertraglicher Schadensersatzpflicht beruhen, nichts anderes gelten kann (Senatsurteil vom 30. Mai 2000 – VI ZR 300/99 – VersR 1999, 1116, 1117).

Vorinstanzen:
LG Kempten, Entscheidung vom 30.12.2003 – 1 O 2335/02 –
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 18.11.2004 – 24 U 115/04 –

Freistellung von den Unterhaltsansprüchen seines nichtehelichen Kindes bei Verletzung ärztlicher Pflichten gegenüber der Mutter

Ende Oktober 1998 zeugte der zu diesem Zeitpunkt 15-jährige Kläger mit der damals 12-jährigen F. ein Kind. Am 19. Januar 1999 suchte F. in Begleitung ihrer Mutter die Beklagte auf, um sich über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung zu informieren. Die Beklagte untersuchte F. gynäkologisch und verschrieb ihr die Anti-Babypille; eine sonographische Untersuchung oder einen Schwangerschaftstest führte sie nicht durch. Der Kläger wirft der Beklagten vor, die Schwangerschaft am 19. Januar 1999 nicht erkannt zu haben, und macht geltend, zu diesem Zeitpunkt wäre ein legaler Schwangerschaftsabbruch möglich gewesen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen, da der Kläger nicht in den Schutzbereich des ärztlichen Behandlungsvertrags mit der Beklagten einbezogen gewesen sei. Das Oberlandesgericht hat wegen dieser Frage die Revision zugelassen.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Nach dem Behandlungsvertrag war die Beklagte verpflichtet, die jugendliche Patientin sorgfältig zu untersuchen. Es ist auch revisionsrechtlich zu unterstellen, daß dies zur Feststellung der bereits eingetretenen Schwangerschaft geführt hätte. Dies führt jedoch nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Klägers. Unter den Umständen des Streitfalles liegt es schon nach den allgemeinen Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte eher fern, daß der Kläger in den Schutzbereich des Vertrags zwischen F. und der Beklagten einbezogen gewesen sein könnte. Soweit der Vertrag auf Verhütung einer Schwangerschaft gerichtet war, kann er dem Kläger schon deshalb nicht zugute kommen, weil im Zeitpunkt der Zeugung des Kindes überhaupt noch kein Vertrag zwischen F. und der Beklagten bestand. Soweit der Kläger sich darauf beruft, F. hätte sich am 19. Januar 1999 bei Feststellung der Schwangerschaft zu deren Abbruch entschlossen, kann er auch hieraus keinen Anspruch gegen die Beklagte herleiten. Ein Abbruch nach der sog. Beratungslösung des § 218 a Abs. 1 StGB wäre nicht rechtmäßig, sondern lediglich für F. nicht strafbar gewesen und kann schon deshalb nach der Rechtsprechung des Senats keine Grundlage für einen Anspruch gegen den Arzt auf Ersatz des Unterhaltsschadens sein. Unter dem Aspekt einer etwaigen medizinischen Indikation nötigte der Fall nicht zu einer abschließenden Entscheidung darüber, ob der Schutzzweck eines auf diese Indikation gestützten Vertrags auch die finanzielle Belastung mit Unterhaltsansprüchen umfaßt und ob der Kläger in den Schutzbereich eines solchen Vetrags einbezogen sein könnte. Jedenfalls könnte sich hieraus kein Schadensersatzanspruch der geltend gemachten Art ergeben, weil der Kläger die Entscheidung der F., das Kind auszutragen, hinnehmen muß.

Urteil vom 19. Februar 2002 – VI ZR 190/01

Karlsruhe, den 19. Februar 2002

Pressestelle des Bundesgerichtshofs