Keine Staatshaftungsansprüche für Sportwettenanbieter wegen Europarechtsverstoß

Der unter anderem für die Staatshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Abweisung von zwei Schadensersatzklagen einer Sportwettenanbieterin gegen zwei bayerische Städte und den Freistaat Bayern bestätigt.

Die Klägerin verfügte über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten, die sie in Bayern auch über Wettbüros vertrieb, welche von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden. Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem Geschäftsbesorger die Vermittlung von Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Ferner ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an. Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwaltungsgerichten angebrachte Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

Die Vorinstanzen haben einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch verneint. Dies hat der III. Zivilsenat bestätigt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in „hinreichend qualifizierter“ Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol seien verfassungswidrig, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu denen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.

Urteile vom 18. Oktober 2012

III ZR 196/11

LG Landshut – 54 O 30/10 – Entscheidung vom 30. November 2010

OLG München – 1 U 392/11 – Entscheidung vom 15. Juli 2011

und

III ZR 197/11

LG Passau – Az. 1 O 1118/09 vom 04.11.2010;

OLG München – Az. 1 U 5279/10 vom 15.07.2011;

Karlsruhe, den 18. Oktober 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Bundesgerichtshof zur Haftung des Waldbesitzers für Verletzung eines Spaziergängers durch herabstürzenden Ast

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Unfalls bei einem Waldspaziergang auf Schadensersatz in Anspruch.

Als die Klägerin im Juli 2006 bei sehr warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch ein Waldgrundstück der Beklagten zu 1 ging, brach von einer circa 5 m neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt eine schwere Hirnschädigung. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht denSchmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Nach seiner Auffassung ist auch ein privater Waldbesitzer, der weiß, dass sein Wald von Erholungssuchenden frequentiert wird, zumindest eingeschränkt verkehrs-sicherungspflichtig. Er sei gehalten, in gelegentlichen Begehungen die am Rande der Erholungswege stehenden Bäume zu kontrollieren und einzuschreiten, wenn sich ihm konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung böten. Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht im Streitfall bejaht, da von dem unfallverursachenden Baum schon lange eine akute Gefahr ausgegangen sei. Diese hätte ein geschulter Baumkontrolleur bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus erkennen müssen.

Auf die Revisionen der Beklagten hat der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Klage abgewiesen. Er hat eine Haftung der Beklagten verneint.

Nach den im Einklang mit § 14 BWaldG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (hier: § 25 des Waldgesetzes für das Saarland) ist das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschieht jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden muss, sollen dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er haftet deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs ist dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.

Urteil vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11

Landgericht Saarbrücken – Urteil vom 3. März 2010 – 12 O 271/06

Saarländisches Oberlandesgericht – Urteil vom 9. November 2011 – 1 U 177/10-46

Karlsruhe, den 2. Oktober 2012

Waldgesetz für das Saarland (Landeswaldgesetz – LWaldG)

§ 25

Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zweck der naturverträglichen Erholung ist jedermann gestattet. …

(5) Die Benutzung des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr. Besondere Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten werden nicht begründet. …

Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft

Bundeswaldgesetz

§ 14 Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.

(2) Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund, insbesondere des Forstschutzes, der Wald- oder Wildbewirtschaftung, zum Schutz der Waldbesucher oder zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers, einschränken und andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs